Über die Jahrtausende war Monemvasia sowohl Hafen als auch Festung. Der ganze elf Mal (und dennoch erfolglos) für den Literaturnobelpreis vorgeschlagene, wohl bekannteste Sohn der Stadt Jannis Ritsos, wollte seinen Geburtsort als Symbol für ein neues Selbstverständnis des Griechentums nach 1974 verstehen und fasste diese Idee in seiner Gedichtfolge „Monovassiá“ in einer Zeile zusammen: „Genau jetzt verstanden wir, dass nichts verlorengegangen war.“
Was für den seinerzeit gerade stattgefundenen Zusammenbruch der Militärdiktatur und der Rückkehr zur Demokratie unter Konstantin Karamanlis galt, gilt auch für den Schiffs-förmigen 300m hohen und knapp zwei Kilometer langen, massiven Felsbrocken vor der Küste Lakoniens im Südosten der Peloponnes, der von den Wellen des Myrtonischen Meers einst angespült zu sein scheint.
Der im sechsten Jahrhundert von den Bewohnern Spartas besiedelte Fels mit seinen sich windenden Gassen, massiven Steinhäusern und Mauern, wurde aufgrund seiner Lage für die Schiffe, die auf ihrer Fahrt zwischen dem damaligen Konstantinopel und Italien vorbeikamen, schon bald zu einem begehrten Hafen. Und so nahm es sich nicht wunder, dass in seiner Blütezeit ab dem 12. Jahrhundert sich Byzantiner, Franken, Venezianer und Türken um diesen Knotenpunkt des Handels rissen und gegenseitig voneinander (rück-) eroberten.
Anfang des 19. Jahrhunderts fiel Monemvasia jedoch in eine Art Dornröschenschlaf. 2. Weltkrieg und griechischer Bürgerkrieg folgten und um 1970 war die Bevölkerung von einst mehreren Tausend auf kaum noch ein Dutzend Bewohner geschrumpft. Mit dem Wiederaufbau des Ortes nach 1980 und einem vorsichtig entstehenden Tourismus, erhielt Ritsos Satz Bedeutung auch für Monemvasia selbst: „Genau jetzt verstanden wir, dass nichts verlorengegangen war.“
Und nein, Monemvasia hat wahrlich nichts verloren. Weder seinen Charme, der durch die winzigen (und daher autofreien) Sträßchen strömt, in den verwinkelten Innenhöfen der Unterstadt zu finden ist, von den Ziegeldächern der liebevoll restaurierten Natursteinhäuser mit ihren gewölbten dunklen Türen weht, noch von seiner Geschichte, die sich im byzantisch, osmanischen und venezianischen Architekturmix wiederfindet. Und schon gar nicht am Abend bei einem Glas Wein in einem der Restaurants zwischen den tagsüber von der Sonne aufgeheizten Steinmauern (wenn auch nicht der hier einst entstandene Malvasia geboten wird, dem die Zitadelle unter anderem ihre immense Bedeutung verdankte und dessen süßlicher Geschmack von Königen und Fürsten begehrt und seinerzeit als teures Luxusgetränk gehandelt wurde).
Schon gar nicht bei der eigenen, durchaus schweißtreibenden Eroberung der Oberstadt per pedes, entlang überwachsenen Mauerresten ehemaliger Häuser, Prachtbauten und Zisternen. Denn oben angekommen wird man belohnt von Wind und weitgehender Einsamkeit, vom Blick auf das azurblaue Meer, die Unterstadt und das winzige Sträßchen, das die Kastellstadt mit dem Festland verbindet – weshalb der Fels schwer einnehmbar und Monemvasia bis heute als Gibraltar des Ostens bezeichnet wird.
Und gekrönt von der byzantinischen Agia Sofia (12. Jahrhundert) hoch oben und gefährlich nah an die steile Felswand gebaut, doch stets eingerahmt vom Blau zwischen Himmel und Ozean. Sie hat all die Eroberungen und Rückeroberungen beileibe erfahren, musste ihre Bestimmung der jeweiligen Herrschaft entsprechend ständig ändern. Als byzantinisch-griechische Kirche, vermutlich der Madonna Hodegetria gewidmet, wurde sie während der venezianischen Herrschaft katholisch und unter der türkischen eine Moschee. Das ging zwei Mal hin und her bis sie ab 1821, endlich wieder umgeben von den Griechen, zur „Heilige Weisheit“, Agia Sophia, wurde. Doch nicht nur geschichtlich, sondern auch architektonisch ist der Bau einen Besuch wert, denn er ist ein besonders schönes Beispiel für eine achteckige Kuppel, die – da jede Ecke von einer der acht Säulen getragen wird – die Hauptkirche zu einem einheitlichen Bereich macht. Viereckig in seiner äußeren Anmutung, finden sich im Inneren Fragmente von Wandgemälden von außergewöhnlicher künstlerischer Qualität aus den Entstehungsjahren, Wandmalereien aus dem Leben des Agios Nikolaos sowie Marmordekorationen. Wer beim Verlassen dieses Schatzes noch einmal den Ausblick genießt, der wird wissen, weshalb sich seine Mauern vermutlich selten um die jeweilige menschenerdachte religiöse Berufung geschert, denn Gott täglich dafür dankt, an solch einem besonderen Ort erbaut worden zu sein.
Ja, man kann Monemvasia schnell links liegen lassen. Immerhin sind es vier Autostunden von Athen. Dann verzichtet man aber nicht nur auf dieses pittoreske und geschichtsträchtige, leicht verwunschene Kleinod. Man verpasst auch auf der Fahrt dahin den Weg durch die erstaunlich fruchtbare Landschaft mit ihren Oliven- und Zitronenhainen, Weinbergen, toskanisch anmutenden Zypressenalleen und Bergdörfern, die gleich einer Filmkulisse für Alexis Sorbas wirken.
Dass man zudem die Strände von Elafonissos, die Höhlen von Kastania und das versunkene Pavlopetri nicht sehen wird, davon schreiben wir ein anderes Mal – versprochen!
Und beim Abschied, das versprechen wir ebenso, werden Sie sich sagen: „Genau jetzt verstehen wir, dass nichts verloren geht.“
Diesen Artikel haben wir mit freundlicher Genehmigung von www.griechenlandprofi.com übernommen, das Original findet Ihr hier:
http://griechenlandprofi.com/ein-fels-in-lakonien-monemvasia
Photos by Jörn Pfannkuch & Text: Undine Zumpe / Cinnamon Circle
Gefira, der Hafen von Monemvasia auf Festlandsseite. Regelmäßig fahren Tragflügelboot von Piräus hierher. Im Hafen kann selbstverständlich auch das eigene Segelboot oder die eigene Yacht ankern.
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