Duftende Rosengärten, abenteuerliche Passstrassen, freundliche Beduinen, lebendige Souks und natürlich die Kulisse der Wüsten und Gebirge mit ihren ständig wechselnden Lichtstimmungen… Im Oman gibt es ein Sprichwort, demzufolge die Landschaft sich alle 15 Minuten verändere. Das können wir nur bestätigen …
Es ist nicht warm – es ist heiss, gnadenlos heiss, hier tief in der Wahiba Sands Wüste. Das Thermometer meldet 48 Grad, Schatten gibt es keinen, unbarmherzig brennt die Sonne vom stahlblauen Himmel herab. Vor einer Stunde hatten wir Mustafa, den einheimischen Führer an einer gesichtslosen Shell Tankstelle mitten im Nichts getroffen. Zunächst musste die Luft aus den Reifen, gegen ein kleines Trinkgeld bietet ein netter Herr zusammen mit seinem etwa zehn Jahre alten Sohn diesen Service an. Jetzt graben sich die Räder mit den markanten Stollen durch den Sand. Mustafa prescht voran, mit etwa 90 km/h rasen wir über die Pisten, denn trotz Allrad gilt: bloss nicht zu langsam fahren sonst fressen sich die tonnenschweren SUVs fest; und tatsächlich an einer besonders schwierigen Anhöhe wirft Mustafa einen Blick zu viel auf die ihm folgenden Gäste und bleibt im tiefen Sand stecken. Er muss rückwärts wieder hinunter und neuen Anlauf nehmen, sicher eine Schmach für den stolzen Beduinen.
Oft wird vom »Meer aus Sand« gesprochen, der Vergleich passt. Der Jeep fühlt sich auf dem losen Untergrund eher wie ein Motorboot an und die Dünen scheinen wie Wellen auf den Reisenden zuzukommen
Der SUV hat den Wüstentest eindeutig bestanden
Klare geometrische Linien, mit scharf gescheitelten Kämmen und sanft gerundeten Tälern, hie und da setzt ein trotziges Gestrüpp farbige Akzente in der gelbroten Landschaft, verdutzte Kamele glotzen den beiden Autos hinterher, gelegentlich kreuzt eine weitere Piste den Weg. Nach etwa zwei Stunden schlingernder Fahrt tauchen braun weiss gestreifte Zelte am Horizont auf. Im 1000 Nights Desert Camp, einem der luxuriösesten Zelt-Hotels im Oman, werden die Reisenden von dem überaus freundlichen und zuvorkommenden Rezeptionisten empfangen. Auch er hat einen langen Weg hinter sich, geboren auf den Philippinen kam er nach mehreren Stationen in Ritz-Carlton Hotels in Asien letztlich in den Oman und wechselte in das familiengeführte 1000 Nights Desert Camp. Die Besitzer haben sich hier einen Traum erfüllt, mit ein paar Zelten und der typischen Gastfreundschaft der Beduinen hatte es begonnen und heute, zehn Jahre später sind es etwa vierzig Zelte für internationale Touristen sowie einige zweistöckige Villen für die einheimischen Reisenden. Letztere ziehen – nicht zuletzt aufgrund der islamischen Kleiderordnung – die Privatheit der Villen vor, da sich die Frauen dort drin nicht verschleiern müssen. Im Inneren herrscht orientalische Opulenz vor, von außen sind sie uneinsehbar. Westliche Touristen bevorzugen in der Regel die Zelte, dort geht es etwas einfacher zu, aber die perfekt gefederten Betten und die Außendusche mit Marmorwänden und freiem Blick in den sternenübersäten Himmel wirken in dieser Umgebung durchaus luxuriös. Klimaanlagen gibt es keine, aber in der Nacht fällt die Temperatur auf Werte um 25 Grad und die Hitze des Tages entweicht rasch durch die Fenster. Ein Restaurant in landestypischem Dekor sowie ein Swimming Pool runden das Bild ab. Die Gäste an den Nachbartischen tauschen ihre Wüsten-Erlebnisse aus, berichten von wilden Fahrten im Jeep und romantischen Nächten im Schlafsack. Wir werden von Mustafa zum jetzt menschenleeren Pool geladen, wo er uns ein kleines Glas Single Malt spendiert, es scheint, dass Allah hier nicht so genau hinsieht wenn es dunkel wird. Mustafa schwärmt unterdessen davon, dass er das Privileg habe, im schönsten und besten Land auf der Erde leben zu dürfen; der wohlwollende Zuhörer ist geneigt, ihm – mit Einschränkungen – beizupflichten, es ist nicht der rechte Moment um über politische Freiheit, Frauenrechte und die Abhängigkeit von Großbritannien zu diskutieren.
Die Nacht wird kurz. Noch vor dem Morgengrauen geht es mit dem Jeep auf eine der höchsten Dünen um in der kühlen Morgenluft zusammen mit einer Kamel-Familie die aufgehende Sonne zu begrüßen.
Krähen helfen einer soeben erwachten Kamelfamilie bei der Morgentoilette
Zwei Tage später dröhnt wieder Asphalt unter den Rädern. Auf dem Highway geht es zum Jabal Al Akhdar, dem höchsten Berg im Oman und Heimat der berühmten Rosengärten, die den Grundstoff für jenes Öl liefern, welches die Parfümeure von Amouage in kostbare Essenzen verwandeln. An einem schlagbaumbewehrten Checkpoint ein kurzer Stopp. Ursprünglich kontrollierte die Armee hier die Reisenden auf der Suche nach Rebellen und Schmugglern. Doch der Oman ist heute ein friedliches Land ohne erkennbare Unruhestifter und so wird in erster Linie darauf hingewiesen, dass die Weiterfahrt nur mit eingeschaltetem Allradgetriebe erlaubt ist – es geht hoch hinauf und die Kurven können steil sein. Erfahrene Motoristen aus den Schweizer Bergen mögen ob dieser Vorsichtsmaßnahmen die Augenbraue anheben, der hiesigen Verkehrsbehörde ist es allerdings ernst: Alle fünf Kilometer warnen drastisch formulierte Schilder vor den möglichen Gefahren und das Militär patrouilliert aufmerksam. Die Landschaft ist atemberaubend; steile Felshänge, tiefe Schluchten bis zum Horizont, struppige Macchia und anfangs noch Mandel- und Aprikosenbäume. Immer mal wieder traditionelle aus Lehm gebaute Dörfer, die wenig einladend wirken auf den Besucher aus Europa. Die Menschen im Oman sind grundsätzlich freundlich, aber auf dem Land in den kleinen Dörfern wirkt die Atmosphäre eher abweisend. Die wenigen, die überhaupt auf der Straße zu sehen sind, Männer zumeist, haben für den »Eindringling« kein Lächeln und kein Grußwort übrig, gehen schnell ihrer Wege und entschwinden hinter einer der kunstvoll geschnitzten Holztüren. Am Ende der Straße liegen die Ruinen des Dorfes Bani Habib. Hier hatte Ende der 1950er Jahre Sulayman bin Himyar, der Anführer des Jabal Al Akhdar-Aufstandes Zuflucht gesucht, ein fast perfektes Versteck in der damals noch nahezu unzugänglichen Region, bis die britische Armee Bomben und Truppen aus der Luft schickte.
Auf einem der am spektakulärst gelegenen Plateaus hat die Alila-Kette ein imposantes Luxushotel in einer gigantischen Anlage errichtet. Ganz aus Granit erbaut wirkt es wie eine Trutzburg in der unwirtlichen aber beeindruckenden Umgebung. Uns zieht es für die Übernachtung aber nach Sayq, dem Hauptort des Plateaus – nicht, dass hier wesentlich mehr los wäre… Das kleine aber brandneue Hotel wirkt leer, zum Dinner finden sich gerade einmal zwei indische Geschäftsleute im Restaurant ein und die omanischen Familien nutzen wie üblich den Room Service. Das Klima ist angenehm, die Landschaft überwältigend aber es wird Zeit aufzubrechen – nach Nizwa, dem kulturellen Zentrum des Oman. Morgen ist Freitag und da findet der größte Viehmarkt des Landes statt. Aus allen Himmelsrichtungen strömen sie herbei, mit Trucks, Eselskarren und Geländewagen. Am Eingang bieten die Geflügelzüchter ihre Ware feil. Nervöse Küken, schreiende Hähne und aufgeregte Gänse streiten um die Wette. Daneben die Fischhalle, am Eingang liegen sechs gewaltige Thunfische. Zum krönenden Abschluss die kleine Arena, in der Kühe und Schafe auf potentielle Käufer warten. Ihre Züchter lassen sie von fest engagierten Profis durch das Rund führen. Drumherum stehen und sitzen die Interessenten und prüfen die Tiere mit Kennerblick, ab und an gibt einer von ihnen ein kaum merkliches Handzeichen und der Auktionator erwidert mit einem ebenso unmerklichen Kopfnicken. Im weiteren Verlauf wechselt sicher auch Geld die Hände, aber für den Außenstehenden bleibt das ganze Geschehen ein Mysterium. Die Kamera freut sich über die reiche Auswahl an Motiven, und die Tatsache, dass sich hier ausnahmsweise nicht gleich jemand beschwert, wenn ein Objektiv auftaucht. Im Gegenteil, manche der anwesenden Männer in den dekorativen, weißen Dishdashas scheinen es sogar zu genießen, fotografiert zu werden. Gegen Mittag ist das Spektakel vorüber und die Stadt scheint plötzlich menschenleer. Vor der Moschee ist das Geheimnis gelüftet: Tausende von Schuhen stapeln sich vor dem Eingang, und auf den umliegenden Plätzen knien jene, die keinen Einlass mehr in die überfüllte Moschee gefunden haben. Nach dem Trubel und dem Lärm auf dem Markt, wirkt die jetzt einsetzende Ruhe fast schon gespenstisch, kaum wagt der Besucher, sich zu bewegen, will die Andacht nicht stören.
Wir starten den Motor und weiter geht es nach Muscat, der vergleichsweise kleinen Hauptstadt am Golf von Oman, unmittelbar vor der Straße von Hormus. Angesichts dieser geostrategischen Lage steht der Oman unter Dauerbeobachtung der westlichen Geheimdienste. Vor allem die Briten blicken hier ganz genau hin und beherrschen indirekt einen großen Teil der Wirtschaft, um ihren Einfluss zu sichern und im Ernstfall schnell eingreifen zu können, wenn sich die politischen Verhältnisse zu Ungunsten des Westens ändern sollten. Doch dem Sultanat Oman gelingt es, seinen Weg weitgehend unbeirrt durch die Zeiten des Umbruchs in der Arabischen Welt zu finden. In den 1970er Jahren hatte der jetzige Sultan seinen allzu strengen und religiös-konservativen Vater entmachtet, der nicht einmal Radios erlaubte. Seither wandert Sultan Qabus auf einem schmalen Grat zwischen den Erwartungen der religiösen Führer und jenen der vor allem jungen Leute, die durch Fernsehen und Internet Geschmack gefunden haben an der westlichen Moderne und Teilhabe suchen an den Verlockungen. Ist das Bild auf dem Land und in den Kleinstädten vorwiegend von den strengen Regeln des Koran geprägt, spürt der Reisende in der Hauptstadt den schleichenden Prozess der Modernisierung auch in den Köpfen der Menschen. Einer der angesagtesten Orte für junge Leute ist das Restaurant Trader Vic’s im Interconti Hotel. Hier treffen sich Expats, Touristen und eben auch die einheimische Jugend. Nach dem Dinner darf getanzt werden und sogar Alkohol wird ausgeschenkt. Vor allem Omanische Männer schlagen hier über die Stränge, aber immer öfter sieht man auch weibliche Teens und Twens. Dass hier eine neue Generation heranwächst, die sich aus der autokratischen Tradition zu befreien sucht und ein selbstbestimmtes Leben führen möchte, ist nicht mehr zu übersehen.
Sinnbild der Verehrung Allahs und der großartigen Geschichte arabischer Architektur: Die Sultan Qaboos Grand Mosque. Auf sage und schreibe 416’000 Quadratmetern hat der Sultan zu ehren seines Gottes ein Monument des Glaubens errichten lassen, allein der Haupt-Gebetsraum umfasst 4’000 Quadratmeter, die Kuppel thront stattliche fünfzig Meter über dem Boden. Zur Anlage gehört auch eine Bibliothek mit über 20’000 wertvollen Büchern
Mit diesen letzten Eindrücken verlassen wir ein Land, das uns von Beginn an in seinen Bann gezogen hat. Die Erwartungen waren gar nicht so groß bei der Ankunft, aber die grandiose Weite der Wüste, die Freundlichkeit der Menschen in den Städten, die bunten und lebendigen Märkte und Souks, der gediegene Luxus in Muscat und die Faszination der Widersprüche einer sich wandelnden Gesellschaft machen den Oman zu einem der interessantesten Länder auf der arabischen Halbinsel, das noch dazu vollkommen sicher bereist werden kann.
Autor & Photos: Jörn Pfannkuch / Cinnamon Circle
Visum: Bürger der EU und der Schweiz erhalten ihr Visum am Airport bei der Einreise.
Anreise: Flüge aus Deutschland und der Schweiz gibt es täglich zum Beispiel mit Oman Air, Swiss und Lufthansa. Eine Anreise mit dem PKW aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sollte mit den zuständigen Botschaften abgeklärt werden.
Hotels: In der Umgebung und im Zentrum der Hauptstadt Muscat gibt es folgende Luxushotels:
The Chedi / Shangri-La / Al Bustan Palace by Ritz-Carlton / Ziggy Bay by Six Senses / Interconti / W Muscat by Marriott
Außerhalb Muscats gibt es meist nur einfache aber saubere Mittelklasse Hotels der Dreistern-Kategorie. Im Jabal Al Akhdar Gebirge befindet sich ein Luxus-Resort der Alila Kette in einer gigantischen Anlage mit spektakulärer Aussicht auf die Schluchten eröffnet.
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