Es ist ein Traumtag als uns Alexander – wie immer mit feiner, distinguierter Eleganz und seinem äußerst liebenswürdigen Charme – in den unteren, zugänglichen Gassen von Oía mit seinem stets blitzblanken BMW abholt um uns zu einer Weinprobe zu fahren. Sommelier Nico hatte uns gestern im Lauda Restaurant von Andronis vom berühmten Assyrtiko begeistert, so dass wir ein bisschen mehr über dieses – im wahrsten Sinne des Wortes – Santorinische Urgewächs erfahren wollen. Und wo kann man das besser als auf dem Weingut des nicht nur auf der Insel als Visionär geltenden und gefeierten Paris Sigalas …
Paris Sigalas, mit den Falten eines Menschen, der rundherum zufrieden ist, meist leger ganz in Weiß gekleidet, mit weißem Hut, der das lange Haar des Önologie-Künstlers vor der Sonne bedeckt, und, wie zum Kontrast, mit stets staubbedeckten schwarzen Schuhen, klärt – noch ganz im Duktus des Mathematiklehrers, der er einst war – über die Einzigartigkeiten dieser Weinregion auf.
Da ist das Alter, das mit gut 3.000 Jahren beziffert werden kann. Die Weinrebe war eine der wenigen Pflanzen, die auf dem vulkanischen Boden nach der minoischen Eruption von 1.620 v.Chr. sich sofort wohlfühlte und entsprechend gedieh. Damit gehört das Weinanbaugebiet Santorinis heute zu den ältesten der Welt.
Zum zweiten hatte es die Reblaus, die fast den gesamten europäischen Weinbau zerstörte, nie die Insel erreicht. Die Rebstöcke können stattdessen seit Jahrhunderten kontinuierlich weitervermehrt werden. Die Methode nennt sich „Katavoladi“. Dabei wird ein Trieb gezogen und mit Erde bedeckt, so dass nur noch seine Spitze herausschaut. Sobald der im Fachjargon Absenker genannte Trieb Wurzeln entwickelt hat, wird seine Verbindung zur Mutterpflanze gekappt und man erhält einen neuen Sprössling mit identischen Eigenschaften. Auf die Weise finden sich Stöcke mit einem Alter von bis zu 400-500 Jahre – absolut einzigartig in der Weinwelt.
Und schließlich wird der Wein in der seit der Antike bestehenden traditionellen Korbmethode (Kouloura) angebaut bei der das relativ harte Holz der Reben geschickt zu einem Kranz flach auf die Erde geflochten wird und wie ein Schutzwall wirkt. Die überwachsenden Blätter lenken das Sonnenlicht ab und die Reben werden in den heißen Monaten durch eine Brise, die tagsüber von der Ägäis her weht, aber besonders durch die nächtliche Luftfeuchtigkeit kühl gehalten. Im Zuge des Reifungsprozesses wachsen in dem dichten Blättergerüst große Beeren heran, die in dieser Art Kokon ein gutes Säuregerüst bewahren können.
Mit leidenschaftlicher Überzeugung, missionarischem Einsatz, enormer Experimentierfreudigkeit und dem festen Glauben an das Potenzial dieser einheimischen Santorin-Sorten sowie mit der einzigartigen Fähigkeit, Mathematik auf Önologie anzuwenden, macht sich Paris Sigalas seit gut drei Jahrzehnten daran, die Weine des Archipels auf internationale Spitzenpositionen zu bringen. Seine im Grenzbereich zwischen Natur und Wissenschaft liegende Denkweise verleitet ihn zu vielerlei erstaunlichen Versuchen. So pflanzt und vinifiziert er Assyrtiko-Reben auf exakt gleiche Weise an sieben verschiedenen Orten der Insel mit dem Ergebnis, dass sieben einzigartige aber ganz und gar unterschiedliche Weine entstehen – selten wird man den Begriff Terroir besser verstehen lernen. Es sind wahrhaft gelungene Experimente wie diese, welche die Weine der Domaine vielfache Auszeichnungen und Paris Sigalas die Auszeichnung „Bester Weißweinproduzent Griechenlands“ von Robert Parkers „The Wine Advocate“ einbringen.
Doch einen Moment müssen wir noch bei der Assyrtiko-Traube verharren und über ihre wunderbare Eleganz, ihre langanhaltenden salzige Nuance, die sich fein wie der Nebel einer brechenden Welle verteilt, den straffem Säurekern, die Noten von getrockneten Äpfeln und Honig sowie ihrem Dunst aus Zitrusschale sinnieren. Und ja, die 14 Prozent Alkoholgehalt schmeckt man, wenn auch ausgewogen, gar anmutig. Sigalas freut sich derweil besonders über eins: „Santorin ist einer der wenigen Orte auf der Welt, an denen Weißweine bis zu zehn Jahre exquisit altern“.
Nun, altern könnte man hier, in Paris Sigalas Weingut unter dem schattigen Rebdach, mit einem Tisch voller edler Weine, bestens betreut und eindrücklichst informiert von Michael und dem Team der Domaine durchaus gerne. Doch Alexander wartet. Und nicht zu vergessen: Der privates Jacuzzi unseres Gewölbe-gleich anmutenden Zimmers im Andronis Exclusive… Und der Hotel-Pool mit nahtlosem Blick von seinem Rand aus in die Caldera…
Manchmal bietet das Leben einfach nur schöne Optionen…
Text by Undine Zumpe / Cinnamon Circle
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