
Menton ist bekannt für seine Zitronen, sein mildes Klima und seine Nähe zu Italien. Und seit November auch ganz offiziell: für das weltbeste Restaurant mit dem weltbesten Koch – nous félicitons de tout coeur!
Mirazur / Salle de Jour (Image courtesy of Mirazur)
Das Mirazur war das erste eigene Restaurant des überaus charmanten Mauro Colagrecos nach Stationen bei (unter anderem) Bernard Loiseau, Alain Passard oder Alain Ducasse. Vom ersten Moment an legte es ein atemberaubendes Tempo in Sachen Auszeichnungen vor. Im April 2006 eröffnet, wurde das Mirazur im darauffolgenden Oktober bereits zum „Aufsteiger des Jahres“ in Frankreich gekürt. Vier Monate später zeichnete der Guide Michelin es mit dem ersten Stern aus. 2009 wurde Colagreco vom Gault & Millau zum „Koch des Jahres“ in Frankreich gekürt und damit zum ersten nicht-französischen Koch, der diesen Titel erhielt. Gleichzeitig fand man sich erstmals in der Liste der 50 besten Restaurants der Welt wieder. Ein Jahr später erhielt das Mirazur vier Hauben im Gault & Millau. 2011 nannte die New York Times es „eines der zehn weltweit angesehensten Restaurants“. Mit seinem zweiten Stern im Jahre 2012 wurde Colagreco von der französischen Regierung zum „Chevalier des Arts et des Lettres“ und ein Jahr später von Relais & Châteaux zum „Grand Chef“ ernannt. 2014 schafft es das Mirazur auf Platz 1 der besten Restaurants in Frankreich und Platz 11 der 50 weltbesten Restaurants, steigert sich von Jahr zu Jahr bis es dieses Jahr nun auf den Spitzenplatz landete. Doch scheint 2019 insgesamt das Jahr von Colagreco zu sein: Das Mirazur erhielt außerdem seinen dritten Stern und Colagreco wurde von „Le Chef“ zum Welt-Koch des Jahres gekürt.
Als Erfolgsfaktor macht der Argentinier hierfür vor allem „harte Arbeit“ aus. Dabei hat er bei all seinen kreativen Ideen und seinen nicht gerade geringen Ambitionen ein sehr waches Auge auf den Gast. Für diesen muss „das Gesamterlebnis“ stimmen, so Colagreco. Last but not least liegt ihm das Thema Nachhaltigkeit am Herzen. In einem Interview klingt er fast schon verzweifelt, als er erwähnt, dass es ihn ein ganzes Jahr gebraucht hat, bis er einen Zulieferer für Kräuter gefunden hatte, der die Ware nicht in Plastik anliefert. Und die Suche nach kompostierbaren Handschuhen für die Küche dauert bis heute an. Er sieht die professionellen Gastronomie-Betriebe in Bezug auf Nachhaltigkeit als Vorreiter und fühlt sich entsprechend verpflichtet.
Betterave, sauce caviar Osciètre@LopezDeZubiria
Doch was macht seine Küche so einzigartig und ein Besuch zum von ihm selbst beschworenen „Gesamterlebnis?“ Da ist zum einen die Lage des Restaurants, erhöht über Menton gelegen. Mirazur bedeutet frei übersetzt „Blick aufs Blaue“ – Nomen est Omen: Das Auge schweift beim Essen stets über das Mittelmeer, das so Azur leuchtet wie die „Côte“, die nach ihm benannt ist. Die Stadt liegt einem zu Füßen, durch die Räume strömt, zusammen mit einer leichten Brise, die Sonne. Dahinter liegen die Berge der Alpes-Maritimes und umzingelt wird das Mirazur von einem Garten mit 15 Zitronenbäumen und etwa dreißig anderen verschiedenen Zitrusfrüchten. Doch mit diesen gibt sich Colagreco nicht immer zufrieden und bezieht die seiner Meinung nach vom Geschmack unerreichten Zitronen aus den Pyrénées-Orientales. Ein weiterer Beweis dafür, dass Colagreco kein Detail unreflektiert lässt und für perfektionierungswürdig hält.
Neben der Lage heben die Gäste stets den herzlichen und kompetenten Service hervor. Serviert werden Gerichte mit Zutaten aus den hauseigenen Gärten, sowie Fisch und Meeresfrüchte und alles, was der Berg hergibt, ganz den „trois univers“, in welche die Küche unterteilt ist: Mer, Jardin, Montagne (Meer, Garten, Berg).
Colagreco ist stolz keine Speisekarte zu haben. Die Gerichte richten sich nach dem, was der Garten täglich hergibt. Auch die restlichen Zutaten stammen zu beinahe hundert Prozent aus der Region: rote Bete in Salzkruste mit Kaviarcreme, Apfel mit Olive, das hausgebackene Brot wird mit Menton-Zitronen und Ingwer aromatisiert (und stets mit einem Gedicht von Pablo Neruda serviert). Taschenkrebs mit Pampelmuse und Mandel. Blumenkohl mit Kaviar. Kürbis mit Zitrusgelee oder Kardamom. Quitte mit Ziegenkäse… Dies sind einige Geschmacksideen aus der kreativ-mediterranen Küche des Hauses. Die Vergabekommission ernannte das Täubchen mit Dinkel und Walderdbeeren zum herausragendsten Gericht.
- Calamar Bagna Cauda@Eduardo Torres
- NaranjoenFlor@EduardoTorres
- Pigeon, fraises, petit épautre@Eduardo Torres
Statt eines Schlusssatzes möchten wir die Idee von Mauro Colagreco aufnehmen und enden mit einem Gedicht von Pablo Neruda:
Sturmgeladen ist der Morgen im Herzen des Sommers.
Wie weiße Abschiedstüchlein wallen die Wolken,
es schwenkt sie der Wind mit reisefiebrigen Händen.
Zahlloses Herz des Windes,
das pocht über unserem verliebten Schweigen.
Es braust zwischen den Bäumen, göttlich, wie ein Orchester,
wie eine Sprache voller Kriege und Gesänge.
Wind, der in raschem Raub das raschelnde Laub entführt
und die zuckenden Vogelpfeile aus ihrer Bahn wirft.
Wind, der es niederwirft als Welle ohne Gischt,
als Wucht des Schwerelosen, geducktes Flammenlodern.
Es birst und versinkt als Masse von Küssen,
zerschmettert an der Pforte des Sommerwindes.
Autor: Undine Zumpe / Cinnamon Circle
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